Beate Stöckemann - Der Erzengel Israfil

Beate Stöckemann

Der Erzengel Israfil

Nach einer irakischen Miniatur, um 1370
66×78 / 2010

Der Erzengel Israfil

Wahrscheinlich Irak, Deckfarbe, Tinte und Gold auf Papier, Blattgröße 32,7 x 22,4 cm Washington, DC, Freer Gallery of Art
Wahrscheinlich Irak, Deckfarbe, Tinte und Gold auf Papier, Blattgröße 32,7 x 22,4 cm Washington, DC, Freer Gallery of Art

In seinem Werk Aja’ ib al-Makhluqat („Die Wunder der Schöpfung”) beschreibt Zakariya ibn Muhammad al-Qazwini (1203-1283) die Bewohner der Erde und des Himmels.

Über den Erzengel Israfil heißt es, er sei der schönste aller Engel und besitze vier Flügel – zwei, die Ost und West voneinander trennen, einen, der seinen Körper verhüllt, und einen vierten, der sein Gesicht vor dem Anblick Gottes schützt.

Gemeinsam mit drei anderen Erzengeln trägt Israfil den Thron Gottes. Er bläst den Menschen den Lebensodem ein und hat die Aufgabe, mit seiner Posaune die Stunde des Jüngsten Gerichtes anzukündigen.

Dieser Moment ist in der hier abgebildeten Miniatur aus einer Qazwini-Handschrift des 14. Jh. gezeigt: Der Engel hat die Posaune an den Mund gesetzt und stürmt in einer heftigen Bewegung voran.

In ihrem Stil verbindet die Miniatur Elemente der arabischen Malerei mit solchen aus der zentralasiatisch-chinesischen Kunst, deren Einfluss in Irak seit der Eroberung Bagdads 1258 durch die Mongolen unter Großkhan Hülägü (1256-1265) wirksam wurde. Die Figur des Engels ist insgesamt relativ zweidimensional aufgefasst, wie dies der arabisch-irakischen Tradition entspricht. Dieser folgt auch die kraftvolle Farbgebung seiner Flügel und der Kleidung. Israfil trägt einen Turban, ein langärmeliges Untergewand und ein kürzeres eng anliegendes Obergewand, über das mehrere Schals und Schärpen gelegt sind, dazu Stiefel. Die Falten, die vor allem am Untergewand und den Schärpen gut zu erkennen sind, werden rein linear wiedergegeben und erinnern an zentralasiatische oder chinesische Darstellungen. Die Enden von Schärpe, Schal und Ehrengürtel wurden stark stilisiert, so dass sie fast ornamental wirken. Der orange-grüne Gürtel endet in gekräuselten Falten, die ebenfalls an östliche Vorbilder erinnern. Das Gleiche gilt für das Motiv des eingerollten, drachenähnlichen Tierkopfs mit geöffnetem Rachen, der sich an der unteren Spitze von Israfils Flügel findet. Insgesamt wirkt die Darstellung vor allem durch die weit ausgreifende Bewegung des Engels, deren Achsen in alle Bildrichtungen auseinanderstreben, ausgesprochen eindrucksvoll.

(Quelle: A. Hagedorn, Islamische Kunst. Taschen.)